Diagnose ALS – was nun?

Der Erhalt der Diagnose ALS ist eine erschütternde Nachricht, mit der jeder unterschiedlich umgeht. Was sich jedoch für alle ähnlich verhält, sind die damit verbundenen Vorbereitungen und Entscheidungen. Die nachfolgenden Themen und Abläufe entsprechen meiner persönlichen Vorgehensweise und sollen vor allem für Personen eine Hilfestellung sein, welche gerade erst mit der Diagnose konfrontiert wurden.

Was bedeutet diese Veränderung für mich, rational betrachtet?
Sobald man in der Lage ist einigermassen klar zu denken, lohnt es sich eine grobe Auslegeordnung zu machen. Innerhalb einer Partnerschaft unbedingt gemeinsam, je nach emotionaler Situation mit Unterstützung einer nahestehenden Person. Ist man allein, sollte unbedingt eine nahestehende Person miteinbezogen werden.
Nachfolgende Fragen können dabei hilfreich sein:
  • Wie lange möchte ich noch arbeiten, sofern berufstätig?
  • Ist meine Wohnung/mein Haus rollstuhltauglich, allenfalls mit baulichen Anpassungen?
  • Wie sieht die finanzielle Situation aus, unter Berücksichtigung der neuen Einkommensverhältnisse?
  • Mit welcher Unterstützung (nicht finanziell) aus meinem persönlichen Umfeld kann ich rechnen?
  • Ist meine Wohnsituation für mich angenehm, für den Zeitpunkt, an dem ich dann mehrheitlich zuhause (Bett/Rollstuhl) verbleibe?
  • Gibt es Gründe (persönliches oder unmittelbares Umfeld) bei zunehmendem Pflegebedarf in ein Pflegeheim zu wechseln?
  • Was möchte ich noch unternehmen/erleben?
  • Wann informiere ich, welches Umfeld und wie informiere ich sie?

1. Rechtliche Massnahmen, welche ich empfehle, zeitnah umzusetzen oder zumindest vorsorglich zu planen.
  • Notariell beglaubigte Generalvollmacht (Partner/in oder Vertrauensperson).
    Hiermit kann die Person meines Vertrauens meine Rechte in allen Belangen vertreten, wenn ich nicht mehr in der Lage bin Dokumente zu unterschreiben oder mich verbal auszudrücken. Dies erspart mir und meinem unmittelbaren Umfeld viel unnötigen Stress.
  • Bei allen, oder zumindest den wichtigen Finanzprodukten (Bankkonten, Anlagewerte etc.), den Partner – auch Ehepartner! – als gleichberechtigten Inhaber eintragen. Dies kann nach dem Ableben kurzfristige finanzielle Engpässe für den Partner verhindern.
  • Mit einer Patientenverfügung kann man die gewünschten medizinischen Massnahmen zur Lebenserhaltung festlegen. Die Patientenverfügung kann jederzeit angepasst werden. Als zusätzlichen Aspekt zur Wahrung der eigenen Wünsche entlastet sie auch die Angehörigen, welche sonst so schwerwiegende Entscheidungen fällen müssen.
  • Ein Testament bietet sich an, wenn man spezielle Wünsche hat, ausserhalb der gesetzlichen Pflichtanteile.

​​​​​​​2. Verträge, Versicherungen und sonstige Verbindlichkeiten
Wenn nicht schon so vorhanden, lohnt es sich eine geordnete und übersichtliche Zusammenstellung aller Verbindlichkeiten zu haben. Dies erleichtert später dem Partner oder anderen unterstützenden Personen die notwendigen Massnahmen durchzuführen.
  • Krankenkasse
  • Versicherungen (Hausrat, Motorfahrzeugversicherung etc.)
  • Mitgliedschaften (Vereine etc.)
  • Abonnemente (Zeitschriften, Programme/Apps etc.)
  • Leasing- und Abzahlungsverträge (Fahrzeuge, Haushaltsartikel etc.)
  • Schuldscheine (Debitoren, Kreditoren)
  • bargeldlose Zahlungsmittel exkl. Bank- und Kreditkarten (Kinokarte, Warenhauskarte etc.)
  • Soziale Medien (Facebook, Instagramm, Twitter etc.)
  • Mietverträge (Wohnung, Parkplatz, etc.)
  • Nutzungsverträge (Festnetz, Internet, Handy, TV, Strom etc.)
  • Allgemeine Verträge (Kita, Kindergarten, Pflegeheim etc.)
  • Kryptowährungen
  • Hypotheken
  • Übersicht aller Passwörter, schriftlich auf Papier oder elektronisch in abgesicherter Form

3. Grobplanung / Unterstützung und Infrastruktur
Nachdem man die Auslegeordnung gemacht hat, um die Ist-Situation aufzuzeigen, ist es empfehlenswert, darauf basierend eine Grobplanung für die nächsten 6-12 Monate zu erstellen. Idealerweise wird dieser Fahrplan auf Papier festgehalten, denn damit hilft man sich selbst, wie auch den unterstützenden Personen auf Kurs zu bleiben. Es ist sinnvoll, an der Grobplanung festzuhalten ohne die Flexibilität zu verlieren, notwendige Anpassungen vorzunehmen.
  • Welche Spitexorganisation will ich einsetzen? Eine frühzeitige Anmeldung kann von Vorteil sein.
  • Wen, in meinem Umfeld, kann ich mir als Unterstützung vorstellen für: Körperpflege, Tagesbetreuung zuhause, Ausflüge, Aktivitäten, Essenseingabe, Haushaltsunterstützung. Diese Personen sollte man frühzeitig darauf ansprechen.
  • Ab wann und in welchem Umfang möchte ich das Assistenzmodell einsetzen, um einerseits mein Umfeld zu entlasten und andererseits meine gewünschten Aktivitäten fortzuführen, sowie auch die zunehmende Betreuung abzudecken.
  • Habe ich das Bedürfnis für eine emotionale und seelische Begleitung? In welcher Form kann ich mir diese Unterstützung vorstellen: Seelsorger, Psychologe (keine Psychiater), Selbsthilfegruppen, ALS Chat (Whatsapp), persönliches Umfeld etc.
  • Welche Umbauten sind in meinem Wohnumfeld (Dusche/WC, Durchgänge, Treppen, Schwellen, Türen, Licht, Storen etc.) nötig und welche Hilfsmittel (Pflegebett, spezielles Besteck, Anziehhilfen, Kommunikationsmittel etc.) werde ich benötigen. Diese Überlegungen sollten sinnvollerweise langfristig betrachtet angegangen werden. Um dies angemessen abzudecken, empfiehlt es sich eine ALS Nurse oder, wenn verfügbar, die Fachärztin beizuziehen.
  • Bin ich für meine Mobilität auch auf den Transport mit dem Privatwagen angewiesen? Ist mein gegenwärtiges Fahrzeug umbaufähig für den Rollstuhltransport oder benötige ich ein neues Fahrzeug, welches einen Umbau zulässt. Der Fahrzeugumbau wird von der IV getragen, ein notwendiger Autokauf muss selbst getragen werden.
    ​​​​​​​
 4. Aktivitäten und Reisen
Nach Erhalt der Diagnose ALS ist in vielen Situationen innerhalb von 1-3 Jahren mit einschneidenden Einschränkungen in der Mobilität zu rechnen. Damit verbundene Konsequenz kann eine Pflegebegleitung sein und insbesondere bei Reisen ins Ausland, die Buchung von Hotels der gehobenen Klasse, um die Barrierefreiheit (insbesondere Dusche und WC) zu gewährleisten.
  • Welche Reisen möchte ich noch tätigen?
  • Welche Destinationen sind mit Einschränkungen der Mobilität nicht machbar oder welche möchte ich nicht mit Einschränkungen erleben? Diese Reisen sind zeitnah zu planen.
  • Welche finanziellen Möglichkeiten habe ich? Die Pflegebegleitung wird von der IV nur im Rahmen des Assistenzmodells abgedeckt. Darüber hinaus sind alle Kosten privat zu tragen. Reisen mit dem Rollstuhl sind in der Regel teurer.
    ​​​​​​​