Januar – Februar 2020

Mit Active Communication konnten wir vereinbaren, dass der erste Teil der Installation der Umweltsteuerung und der Kommunikationsgeräte vor unserer Asienreise gemacht werden konnte, damit ich diese mit auf die Reise nehmen konnte.


Von Anfang Januar bis Anfang Februar machten wir zuerst einen zweiwöchigen Familienbesuch auf den Philippinen und im Anschluss zwei Wochen Badeferien in Thailand. Dies war unsere zweite Flugreise mit dem Elektrorollstuhl, die erste in Länder, deren Rollstuhlfreundlichkeit für mich noch eine Unsicherheit darstellte.

​​​​​​​In der letzten Ferienwoche erhielt ich einen Terminvorschlag für meinen vierwöchigen Aufenthalt im REHAB Basel. Somit trat ich drei Tage nach der Rückkehr aus Asien meine nächsten «Ferien» an. Dies war mein zweiter Aufenthalt im REHAB Basel, der dazu diente, die angewandten Therapien zu überprüfen und wenn nötig Anpassungen oder Ergänzungen einfliessen zu lassen. Nachdem ich das MTT Programm (medizinische Trainingstherapie) in der Hirslanden Klinik in 2017 eingestellt hatte, da die Weiterführung in Rücksprache mit der Physio nicht mehr sinnvoll erschien, hatte ich nun in der REHAB Basel wieder einmal nach längerer Zeit ein Fitnessprogramm. Dieses bestand nur noch aus 5 Übungen und der Transfer, sowie die Einstellungen an den Geräten, musste durch jemand anderen erfolgen. Der grosse Gewinn aus diesem Aufenthalt für mich persönlich war, dass dank des erneuten Fitnessprogrammes meine Rückenschmerzen weg waren, der Rücken und Nacken allgemein entspannter und dadurch auch das wenige Laufen, welches mir noch möglich war, besser und sicherer wurde.



März – Mai 2020

Zuhause angekommen, in bester körperlicher Verfassung, ging es darum, den geregelten Alltag wieder anzutreten und das neue Fitnessprogramm einzubauen. Leider verschärfte das aufgekommene Coronavirus die Situation derart, dass für Risikogruppen, zu welchen auch ich gehöre, eine Quarantäne notwendig wurde. Diese wurde von meiner Fachärztin etwas früher empfohlen, als die nachfolgende Empfehlung auf Bundesebene. Das Coronavirus greift hauptsächlich die Lungenfunktion an, was für mein Krankheitsbild ein ernstzunehmendes Risiko darstellt. Somit musste das neue Fitnessprogramm warten, bis die Lage ein solches wieder zuliess. Auch die bestehenden Therapien (Logo, Physio, Massage, Ergo) mussten daraufhin eingestellt werden, sowie der Einsatz der Assistenzpersonen und der Spitex vor Ort. Für Daniela bedeutete dies auch vorzeitige Homeoffice-Tätigkeit und für Melissa die Umstellung, dass sie weder den Besuch der Kita, Spielgruppe noch sonstigen Kontakt zu anderen Kindern pflegen konnte. Wir befanden uns in einer Art Hausarrest, mit regelmässigen Spaziergängen im Naherholungsgebiet hinter dem Haus. Dank dem, dass mein Pflegeaufwand noch überschaubar war, hielt sich die Belastung für Daniela in Grenzen. Hierzu hatten wir den Pflegeumfang/-Rhythmus der Situation angepasst. Einen Grosseinkauf pro Woche konnten wir mit einem Assistenten abdecken.


Juni - Juli 2020

Bedingt durch die vom Bund gelockerten Corona Verordnungen konnte ich wieder mit der Ergo, Physio und Massage beginnen, unter Einhaltung der Hygienebestimmungen. Auch alle unsere Assistenten/innen konnten wieder ihre Einsätze regulär aufnehmen.

​​​​​​​Die im März geplante Probe eines neuen Rollstuhles mit Kopfsteuerung hat aufgrund des Corona Lockdowns nicht stattfinden können. Nun, da die Bestimmungen gelockert wurden, konnten wir dies im Juli nachholen. Diese Kopfsteuerung funktioniert, wie der Name schon sagt, auf Basis der Bewegung des Kopfes. Man trägt eine Brille und bekommt auf das Brillenglas eine Anzeige projiziert, welche die Steuerfunktionen visualisiert. Als hilfreiche Erweiterung können mit der Brille Fotos gemacht werden. Die Handhabung der Steuerung ist zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig, funktioniert jedoch erstaunlich gut.

Somit haben wir den Antrag für den neuen Rollstuhl mit der Kopfsteuerung ergänzt. Diesen Antrag haben wir eine Woche später eingereicht, nachdem ich das neue Rollstuhlmodell eine Woche lang testen konnte.

Ich hätte nie gedacht, dass ich einen Besuch beim Coiffeur als Highlight empfinden würde. Doch die Quarantäne wegen Corona eröffnete ganz neue Erfahrungen, wodurch das Haareschneiden sich schon fast als befreiend hervortat. Es gab aber auch herausforderndere Situationen, wie beispielsweise die Entwicklung der Psyche, wenn italienisches Temperament, kindliche Energie und Bewegungsdrang und schweizerische Gelassenheit vier Monate im gleichen Raum interagieren.


August 2020

Der grosse Tag war gekommen und Melissa konnte ihre ersten Erfahrungen im Schulwesen machen. Sie freute sich sehr auf ihren ersten Tag im Kindergarten, welchen sie auch mit viel Freude und schönen Erlebnissen geniessen konnte.

Für Ende August hatten wir ursprünglich eine grosse Geburtstagsparty vorgesehen, da Melissa eine kleine 5 und ich eine grosse 5 (50) feiern konnten. Diese Doppelfünf hatten wir schon als Aufhänger vorgesehen und die Einladungskarten entsprechend vorbereitet. Aufgrund des Corona Lockdowns hatten wir in weiser Voraussicht den Druck der Einladungskarten zurückgehalten, denn nun war klar, dass dies leider nicht in geplanter Weise durchgeführt werden konnte. Stattdessen gab es eine kleine Feier mit Freunden, danach eine mit der Familie und zum Schluss einen kleinen Kindergeburtstag.


September 2020

Aufgrund der Situation mit Corona, konnten wir dieses Jahr zum ersten Mal die grossen Sommerferien in Pinarella - Italien nicht antreten. Da sich Corona nun ein wenig "beruhigt" hatte, entschieden wir uns zumindest ein verlängertes Wochenende in Pinarella zu verbringen. Als Unterstützung begleitete uns Danielas Mutter. Das Wetter war mild und wir konnten noch etwas Strand und Meer geniessen, sowie die heiss geliebten Piadina.

Danach genoss Melissa noch eine Woche Ferien in Interlaken bei meiner Schwester und bescherte Daniela und mir ein paar "ruhigere" Tage.


Oktober 2020

In den letzten 6 Monaten war unser sozialer Kontakt gezwungener massen auf ein Minimum reduziert. Auch der Sport war davon betroffen, was vorallem bei mir für Unmut sorgte, da ich hierdurch nicht nur einen Spassfaktor verlor, sondern auch eine Beschäftigung. Doch mittlerweilen hatte sich wieder eine gewisse Normalität eingestellt und unser Volleyballtraining hatte den Betrieb wieder aufnehmen können. Unser traditionelles Trainingsweekend in Interlaken musste wohl noch aus Sicherheitsgründen abgesagt werden, konnte jedoch mit einem Trainingsweekend in Aarau kompensiert werden. Auch der Beginn der Meisterschaft lies meinen Tatendrang wieder Fahrt aufnehmen und ich konnte in der Arbeit der Videoanalyse und Statistikerfassung aufblühen.

Das Jahr 2020 darf für die Schweiz wohl als ein Jahr der "Arbeitsplatzmodernisierung" in die Geschichtsbücher eingehen, hatte die Pandemie doch dem Homeoffice und den Online-Videokonferenzen grossen Aufschwung beschert. Mit der wieder zunehmenden Ausbreitung von Corona, verschärften sich die Vorsichtsmassnahmen zunehmend und der geplante ALS Tag in Nottwil musste ins Technologiezeitalter überführt werden und fand mittels Videokonferenz statt.


November 2020

Mitte November fand unser erstes Gespräch mit Donat Hofer statt, betreffend einer Dokumentation für das Schweizer Fernsehen. Im Vorfeld wurde ALS Schweiz kontaktiert, um zu erfahren, ob es Betroffene gibt, welche sich für eine Sendung zur Verfügung stellen würden. Bei der Anfrage vom Verein ALS Schweiz habe ich mein Interesse mitgeteilt.

Etwas später wurde ich von der Firma Mediafish (produziert Sendungen für SRF) kontaktiert, um einen Termin für ein telefonisches Interview zu vereinbaren. Unsere Geschichte hat dem Produzenten so gut gefallen, dass er die Idee für eine Dokumentation hatte, welche er dem Schweizer Fernsehen anbieten wollte.

Im Gespräch mit Donat wurde ein erster roter Faden aufgezeigt, welcher sich über einen Zeitraum von ca. einem halben Jahr durchziehen würde. Der Aufhänger würde die Beziehung zwischen Daniela und mir sein und wie sich diese mit der Diagnose ALS entwickelt. Aufgrund der nicht absehbaren Einschränkungen durch Corona war es schwierig, einen groben Terminplan für die Drehtage zu erstellen. Da sich beide Seiten als relativ flexibel und spontan zeigten, sollte dies zu meistern sein.

Kurz darauf konnte der lang ersehnte Startschuss für die Homepage erfolgen. Am 17. November 2020 ging meine Homepage my-als-life.ch online, zusammen mit dem neu erstellten Instagramm Account und einer neu erstellten Facebookseite unter dem Namen der Homepage. Ursprünglich hatte ich gehofft, dass ich diese zu meinem 50. Geburtstag aufschalten könnte. Aufgrund von Corona und der damit verbundenen viermonatigen Quarantäne für uns, hatte sich das Projekt ein wenig verzögert.

Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass die Webseite rundum sehr guten Anklang gefunden hat.


Dezember 2020

Anfang Dezember gab es durch die IV eine telefonische Abklärung bezüglich meines Antrags «Rollstuhl mit Höhenlift». Ich erklärte, wie dies schon im Antrag begründet wurde, dass ein Höhenlift den Transfer in verschiedenen Situationen deutlich erleichtert. Dies wurde so auch akzeptiert und das Thema war für mich abgeschlossen…

Zwei Tage später stand der neue Elektrorollstuhl in der Türe. Der Rollstuhl wurde, wie besprochen, konfektioniert. Nun ging es noch um die Feineinstellungen und die bedürfnisspezifischen Ergänzungen/Anpassungen, welche in einer Pendenzenliste erfasst wurden. Am Folgetermin, eine Woche später, konnten erste Punkte abgearbeitet werden. Aufgrund der coronabedingten Einflüsse in der Werkstatt, verblieben ein paar Punkte, die im neuen Jahr abzuarbeiten sind.

Auf unbestimmte Zeit habe ich nun zwei Elektrorollstühle Zuhause, da noch die Umfeldsteuerung durch eine andere Firma transferiert werden muss. Diese Arbeit musste jedoch wegen Corona auf das kommende Jahr verschoben werden. Das bedeutet, dass ich in dieser Zeit weder das Handy noch die Storen, das Licht und die Türe bedienen kann. Für das Handy habe ich auf meinem PC eine App installiert, welche es mir erlaubt, dieses über den PC zu bedienen.

Mit dem Erhalt des neuen Elektrorollstuhls wurde auch der erste Drehtag für die Doku realisiert. So wurden einige Sequenzen der Übergabe des Rollstuhls aufgenommen, wie auch ein Interview mit Daniela und mir. Melissa hatte sich immer wieder gekonnt in Szene gesetzt, was der Spontanität aller Beteiligten keinen Abbruch tat und vor allem die Geduld von Simon (Kameramann) in keinster Weise strapazieren konnte.

Während den bisherigen Unternehmungen war es mir nicht möglich, Fotos oder Filme aufzunehmen. Gleichzeitig weckten die Action Cam Videos von Skateboardern, Mountainbikern und anderen «Verrückten» auf allen Arten von Fortbewegungsmitteln auf YouTube eine gewisse Faszination in mir, welche mich zu der Idee führte, das geht doch auch mit dem Elektrorollstuhl! Während den Sommerferien in Italien bin ich mit Melissa auf den ausgestreckten Beinen mit erhöhter Fussablage mit Vollgas (nur 10 km/h) quer durch den Pinienwald über Stock und Stein gerast. Bei Ausflügen bin ich auf unwegsamen Wanderwegen «gewandert» oder über die Wiesen und Hänge hochgefahren, mit Daniela, welche den Rollstuhl gegen Rückwärtskippen abgesichert hat.

Der von Donat eingereichte Vorschlag für eine Dokumentation wurde von SRF angenommen und diese entschieden sich für das Format «Reporter», mit einer Sendedauer von ca. 30 Minuten. Die Situation mit Corona hat sich wieder verschärft und führte zum Abbruch der Meisterschaft und des Trainingsbetriebes für unser Team. Somit musste die geplante Drehzeit im Rahmen unserer sportlichen Aktivitäten auf unbestimmte Zeit verschoben werden.

Die diesjährige Weihnachtsfeier bedurfte ungewohnter Planung – weshalb? Wegen Corona natürlich!

Der Besuch bei den Schwiegereltern wurde diesmal ohne Übernachtung geplant. Die Schwester von Daniela, welche mit ihrer Familie in Deutschland wohnt, wusste bis kurz vor Heiligabend nicht, ob und unter welchen Voraussetzungen sie dieses Jahr zu Weihnachten vorbeikommen kann. Deutschland hatte die Regel aufgesetzt, dass eine Aus- und Wiedereinreise innerhalb von 24 Stunden ohne Konsequenzen möglich ist. Die Schweiz hatte entschieden, dass maximal 10 Personen, Kinder inklusive, zusammenkommen dürfen. Normalerweise sind wir vier Parteien, mit insgesamt 12 Personen, ungeplante Nachbarsbesuche nicht berücksichtigt. Alle diese Rahmenbedingungen mussten abgestimmt werden.

Die Planung war eigentlich gut vorbereitet, die Umsetzung wurde durch Überraschungen vom grünen in den dunkelgelben Bereich versetzt – aus Sicht eines augenzwinkernden Bundesrates.

Die aktuellen Coronarichtlinien (maximal 5 Personen) führten dazu, dass wir Silvester zu Dritt Zuhause feierten. Um ein angemessenes Silvesteressen geniessen zu können, haben wir, als Liebhaber von rohem Fisch, eine schöne grosse Sushi-Platte bestellt.

Bereits um 21.00 Uhr gingen die ersten Feuerwerke los und auch wir entschieden uns, zu diesem Zeitpunkt auf der Terrasse die Überbleibsel vom letzten Silvester dem Feuer zu übergeben. Zuerst ein paar Wunderkerzen, welche Melissa zuerst mit viel Begeisterung in der Luft umherschwang, dann das Interesse jedoch schnell verlor. Ihr Begeisterung stieg, als Daniela kleine Feuerräder anzündete und sich diese am Boden drehten. Das Highlight zum Schluss bildeten vier kleine Vulkane, welche aus Sicht von Melissa ihr Feuer und ihre Funken bis in den Nachthimmel spuckten.

Nach dieser aufregenden halben Stunde schlichen sich bei meinen zwei Frauen bereits erste Gähner ein. Für beide war es das erste Mal, dass sie sich an Silvester bereits um 22.00 Uhr in die Decken kuschelten. Wie üblich war dies für mich noch viel zu früh. Da es sich allein schlecht feiern lässt und ich «Dinner for one» bereits unzählige Male gesehen habe, entschied ich mich, mein erstes Silvester bei einem Glas Cola vor dem PC zu verbringen. Dies erlaubte mir eine grosse Eigenständigkeit zur Gestaltung meines Silvesterprogrammes. In meiner rechten Hand die PC Maus, zu meiner Linken einen Liter meines speziellen Cola-Wasser-Gemischs, mit Strohhalm – welcher nicht nur die Funktion der Flüssigkeitsaufnahme erfüllte, sondern sich auch zum Kratzen hervorragend eignet – und vor mir zwei Bildschirme auf welchem zu meiner Rechten ein Film lief und zu meiner Linken meine Erfolge als Fussballmanager im gleichnamigen Spiel Gestalt annahmen. Diese Form des Multitasking, manchmal noch ergänzt mit Downloadarbeiten und ähnlichem im Hintergrund, dient mir seit dem Eintritt in den «Ruhestand» immer wieder als «komplexes Gehirnjogging», um dem ehemaligen Arbeitsambiente etwas Nähe abzugewinnen.


Januar 2021

Mir war es schon von Anfang an wichtig, möglichst und möglichst lange selbständig zu bleiben. Als technikbegeisterte Person habe ich immer wieder ein Auge auf die möglichen Hilfestellungen in diesem Bereich geworfen. Da ich nach der Diagnose noch fast 4½ Jahre berufstätig blieb, lag der Fokus bei den Büroarbeiten, welche sich auch auf den Heimbedarf projizieren liessen.

Aufgrund von Covid-19 war ich 2020 und Anfang 2021 «gezwungen» deutlich mehr Zeit in den eigenen vier Wänden zu verbringen, als mir lieb war. Dies führte zu mehr Interaktion mit der Wohnung, wie beispielsweise TV, Radio, Licht etc. und zeigte auch die Hürden und Grenzen der Selbständigkeit. Da sich die angeordneten Lockdowns und damit verbundenen Engpässe bei den Dienstleistungen mit dem Wechsel zu meinem neuen Elektrorollstuhl kreuzten, konnte dieser nicht wie gewünscht abgewickelt bzw. abgeschlossen werden. So bin ich nun auch schon seit fast zwei Monaten von der Handy-Bedienung und somit von der bisher verfügbaren Umfeldsteuerung getrennt – was sich wie eine halbe Ewigkeit anfühlt. Eine Änderung dieses Umstandes ist noch nicht absehbar und die einzige Möglichkeit der «freien Bewegung» ist die Nutzung des PC, ansonsten hat es Ähnlichkeit mit der Bewegungsfreude eines Wals an Land.

Da Füsse stillhalten und Nichtstun nicht zu meinen stärksten Eigenschaften gehören, begann ich mich mit dem Thema des Smart Home auseinanderzusetzen und fand, wie erwartet viele Möglichkeiten, welche meinen krankheitsbedingten Einschränkungen neue Türen öffneten. Für einen kurzen Moment übernahm die Faszination und Tatendrang das Steuer und ich hatte gedanklich schon fast «mein Haus der Zukunft» gebaut, als ich die Füsse wieder auf den Boden bzw. den Hintern auf den Stuhl brachte und mit Blick auf Budget und Rahmenbedingungen, die Planung der umsetzbaren Möglichkeiten in Angriff nahm.


Februar 2021

Der neue Monat war kaum angebrochen, da mussten wir einem Coronaverdacht in unseren vier Wänden nachgehen. Melissa hatte vom Kindergarten heimkommend mit Husten angefangen, welcher sich dann zum Wochenende hin bei Daniela mit zusätzlichen Halsschmerzen bemerkbar machte und mich ein paar Tage später einholte. Das typische Viruskarussell in einer Familie mit Kind.

Da ein weiterer Filmtag mit Donat (Mediafish/SRF) vor der Türe stand, begab sich Daniela vier Stockwerke tiefer, zum Hausarzt, um einen Coronatest über sich ergehen zu lassen. Das Ergebnis war, wie erwartet, negativ – also positiv!

Dieser Drehtag war der erste, welcher auch Drehorte ausserhalb unseres Wohnzimmers beinhaltete. Nach Interviewaufnahmen, nach denen meine Stimme schwächelte und mein Husten aufzutrumpfen begann, ging es zum Coiffeurbesuch. Um auch hier die Szenen optimal einzufangen, galt es einzelne Elemente, wie aus- und einsteigen beim Auto zwei/dreimal zu wiederholen.

Nun war es soweit, dass mich mein Husten und damit wohl auch das Grippevirus eingeholt hatte und ich ein unliebsames Wattestäbchen in die Nase einführen lassen musste. Zumindest konnte diese unangenehme Situation mit einem negativen Testresultat abgeschlossen werden.

Nur wenige Tage später erhielt ich meine Covid 19 Impftermine, den ersten Ende Monat und den zweiten einen Monat später.

Die Active Communication konnte in einem ersten Termin einen Teil der Umfeldsteuerung vom alten zum neuen Rollstuhl wechseln. Somit war nun auch mein Handy wieder über den Elektrorollstuhl zu steuern. Dies passte bestens zum Abschluss meiner ersten Etappe der Smart Home Einrichtung. Zu meinem Glück entdeckte ich ein Schnäppchenangebot für den Google Mini (ein smarter Lautsprecher, per Sprachbefehl steuerbar) und ich schnappte mir gleich vier davon fürs Wohnzimmer, Büro, Eltern- und Kinderzimmer. Über diese kann man sich alle Fragen beantworten lassen, wie man dies auch von Google auf dem PC kennt. Im Weiteren verknüpfte ich meinen Spotify und meinen TuneIn Account und habe so in allen Räumen Zugriff auf Musik oder Nachrichten. Auch die Glühbirnen im Büro, Gang und Esszimmer ersetzte ich mit Philipps Hue, womit ich auch diese über Google per Sprachbefehl in das passende Stimmungslicht bringen kann.

Zu Beginn hatte Melissa Spass daran, sich von Google Witze erzählen zu lassen oder «unanständige» Wörter in Sprachen wie russisch oder japanisch übersetzen zu lassen. Mittlerweile ist sie Herrin über die Musikwahl, da Google ihren Befehlen besser Folge leistet, als meinen. Dies wäre grundsätzlich kein Problem, da wir immer wieder gemeinsame Musik finden, aber leider ist der Anteil an Kinderliedern bei ihr noch vorherrschend…..

Nun, da der Frühling sich langsam angekündigt hatte (heute weiss ich es besser), startete ich einen ersten Versuch mit der neuen GoPro Kamera und wie diese am Rollstuhl eingesetzt werden könnte.



März 2021

Ein weiterer Drehtag konnte in Angriff genommen werden. Dies unter dem Thema «ein ganz normaler Tag».

Somit begann dies früh morgens am Bett und wie ich mich, mit am Rollstuhl eingehängten Füssen, hochzog, um am Bettrand zu sitzen. Danach folgte die Morgenpflege, wobei der Umstand – duschen (jugendfrei), Kamera und neue Leute - vorab miteinander besprochen wurde.

Ich konnte nun das Gefühl nachvollziehen, welches wohl Schauspieler bei ihrer ersten Duschszene oder ähnlichem haben. Am Anfang eher unangenehm. Mit der professionellen, aber auch humorvollen Art aller Anwesenden ging die Kamera bald «vergessen».

Frisch gestylt gingen wir nun auf eine unserer Spazierrunden, welche mit der Kamera begleitet wurde. Daniela und Melissa waren mit dem Velo unterwegs, Donat und Simon auf flinken Füssen mit Kamerastativ und Tasche bewaffnet. Wer schon mit einem fünfjährigen Kind auf Kies- und Feldwegen unterwegs war, kann sich wahrscheinlich vorstellen, welchen Unterhaltungswert die kommenden 60 Minuten für uns Eltern hatten. Um die letzten «Antriebsreserven» von Melissa zu aktivieren, steuerten wir zum Schluss den Spielplatz an. Die letzten Meter musste Melissa von mir «getragen» werden und unsere Begleiter halfen dem Kindervelo den Spielplatz zu erreichen. Die leichte Nässe in Melissas Gesicht, welche weder dem Fahrtwind noch der Luftfeuchtigkeit entsprang, wich sofort mit Erblicken der Spielanlage.

Auf der Spazierfahrt zeigte sich das kreative und geschulte Auge eines Kameramannes, mit einer speziellen Szene, die er einfing. Ich bin gespannt, wer das Spezielle erkennt!


  • Die Flaggen im Hintergrund sind von links nach rechts die Schweizer Flagge (ich bin Schweizer), unser Wohnkanton Aargau und die italienische Flagge (Daniela ist Italienerin).

​​​​​​​Der Tag war gekommen, an dem der Eintritt im REHAB Basel bevorstand. Für die nächsten vier Wochen würde ich dort, bei Vollpension, meinen täglichen Therapien nachgehen können.

Gleichzeitig mit meinem Eintritt in die REHAB startete Daniela ihre Auszeit in einer Klinik in Rheinfelden. Während den 4 Wochen, welche wir beide «ausser Haus» waren durfte Melissa bei einer befreundeten Familie wohnen. Da sie in unserer Nachbarschaft wohnten und ihre zwei Kinder regelmässig mit Melissa spielten, war dies eine optimale Lösung.

Bereits eine Woche nach unserem Eintritt besuchte Donat Melissa bei der Gastfamilie um ein paar Aufnahmen für die Reportage zu drehen. Dazu gehörte auch ein Familienchat per Handy der ziemlich emotional wurde. Zuvor war Melissa wie gewohnt lustig und lebendig mit den anderen zwei Kindern unterwegs. Doch mit der Videokonferenz zwischen Daniela, Melissa und mir wurde ihr sehr bewusst, dass beide Elternteile weg waren und ihre Sehnsucht brach hervor. Dieser Moment bildete wohl auch den emotionalsten Teil der Reportage.

Die erste Herausforderung für den Eintritt gab es bereits beim Beladen des Autos zu bewältigen. Nebst den Rollstühlen und dem Koffer, galt es auch meinen Bürostuhl und den ganzen Elektronikpark im Auto zu verstauen. Zum Glück war mein Kollege, der mich fuhr, auch in den 80er grossgeworden, denn das Beherrschen von Tetris erwies sich als klarer Vorteil hierfür.

Der Eintritt erwies sich, wie immer, sehr unkompliziert und alles war bereits vorbereitet. Beim letzten Aufenthalt bescherte mir der Zufall, das gleiche Zimmer, wie bei meinem ersten Aufenthalt drei Jahre zuvor. Der dritte Aufenthalt dieses Jahr wies mir ein neues Zimmer zu, mit dem «wunderbaren» Ausblick auf das benachbarte Gebäude und dessen Büroräumlichkeiten. Auch heuer durfte der Zufall nicht auf sich warten lassen und ich hatte tatsächlich den gleichen Zimmernachbarn, wie schon beim ersten Aufenthalt vor vier Jahren. Diese Kombination konnte nicht besser sein, denn wir hatten schon damals einheitliche Schlafenszeiten und jede Menge Spass. Das Aufatmen war beiderseits gross, denn in einem Zweierzimmer ist ein passender Zimmernachbar einer der wichtigsten Faktoren für einen guten und entspannten Aufenthalt über mehrere Wochen.

Das Personal der Station 5 hatte in der Zwischenzeit ein paar Veränderungen erlebt, doch die gute Stimmung und die gute Arbeit blieben erhalten. Ich glaube man kann sagen, dass wir innert kürzester Zeit zum Lieblingszimmer aufstiegen. Unsere unkomplizierte, fröhliche und manchmal durchgeknallte Art liess keinen Platz für negative Schwingungen. Dies führte wohl auch dazu, dass wir zum «Ausbildungszimmer» für die Pflegehelfer (Studenten, angehende Physio etc.) avancierten.

Das Hauptmerkmal unseres Zimmers war viel Musik und Licht bis Mitternacht. Da der Aufwand mich zu Bett zu bringen noch immer sehr klein ist – mit wenig Unterstützung aufstehen, ins Bett legen und zudecken – erhielt ich das okay die Bettgehzeit mit der Nachtwache abzusprechen.

Früher hatte ich immer gut Speisen können und dies war auch dieses Jahr wieder so. Es gab eine Menükarte, mit einer kleinen Auswahl und mit dem Hinzufügen eines ++ gab es auch eine etwas grössere Portion. Diese Möglichkeit konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Obwohl mein Zimmernachbar bis anhin auf das Dessert beim Mittagessen verzichtete, kam dieses ab meiner zweiten Woche wieder auf den Bestellzettel. Im Sinne einer gemeinschaftlichen Zimmerorganisation konnte diese Extraportion Energie meinem erhöhten Bedarf zugeführt werden, um die tägliche Arbeit mit dem Physiotherapeuten, im Kraftraum und auf dem Velo leisten zu können. Natürlich kam dabei auch die genüssliche Seite meines Daseins auf ihre Kosten.

Der Fokus des diesjährigen Aufenthaltes lag nicht, wie es bis hierhin den Anschein machte, auf einem Wellnessaufenthalt, sondern auf dem Erhalt und der Optimierung der Mobilität.

Im Kraftraum konnte ich die Bein- und Rumpfmuskulatur gezielt und kontrolliert mobilisieren. Mein Kopf wusste natürlich noch genau, welche Gewichte ich ein Jahr zuvor gestemmt hatte und wollte genau da ansetzen. Keine gute Idee, wenn man bedenkt, dass das Coronajahr dazwischen kein Training zuliess. Dies entsprach auch der Vorstellung meiner Therapeutin und ich begann auf Stufe 30 statt 70. Nach dem ersten Set à 20 Wiederholungen erhöhte ich auf Stufe 35 für die verbleibenden zwei Sets. Innerlich dachte ich, jaja da geht noch mehr, doch der Muskelkater in den folgenden Tagen belehrte mich eines Besseren.

Die Übungen für die Rumpfmuskulatur konnte ich erstaunlich gut auf der Stufe 100, wie vor einem Jahr, beginnen und auch drei Sets ohne Probleme absolvieren.

Nach dem ersten Training hatte ich einen fürchterlichen Muskelkater in den Beinen und der Körper spürte die ungewohnte Trainingsintensität. Am Freitagnachmittag wollte ich die kurze Pause vor der letzten Trainingseinheit der Woche im Kraftraum mit einer kurzen Pause auf dem Bett nutzen und war innert weniger Minuten bereits im Land der Träume angekommen. Somit hat mein erstes Wochenende zwei Stunden früher angefangen.

In den folgenden drei Wochen hatte es sich im Körper auf den neuen Rhythmus eingestellt und die sportliche Betätigung fühlte sich gut an und der Muskelkater war kein Thema mehr.

In der Physio legten wir uns auf zwei Schwerpunkte fest. Zum einen die Stabilisierung der Rumpfmuskulatur in Form von «sitzen ohne Rückenlehne» und zum anderen Gehtraining.

Beim Gehtraining mussten wir herausfinden, ob gehen in aufrechter Position möglich ist und welche Hilfsmittel dies unterstützen können. Es gab einen speziellen Stehtisch auf Rollen, wo ich dann die Arme auf angenehme Höhe auflegen konnte, um somit die Belastung der Rückenmuskulatur zu reduzieren. Dies funktionierte mehr oder weniger gut und wir wagten einen Versuch mit einem Rollator, der eine Armauflage hatte. Dieser rollte wesentlich leichter als der Stehtisch und bot mir somit auch deutlich weniger Stabilität. Sobald sich mein Körpergewicht begann in eine Richtung zu verlagern, rollte der Rollator so schnell weg, dass ich mich nicht mehr halten konnte.

Somit war das Thema Rollator gestrichen. Zusätzlich wandte ich ein, dass ich im Alltag keine Hilfestellungen in Anspruch nehmen kann, mangels Kraft in Armen und Händen. Auch hatte sich gezeigt, dass sich mein Körper ein «neues Gleichgewicht» geschaffen hat. In meiner neuen normalen gebückten Körperhaltung hatte ich ein gutes und kontrolliertes Gleichgewicht, stehend und auch in Bewegung. In aufrechter Position hatte ich mittlerweile das Gefühl, dass ich nach hinten kippe.

Das Gehtraining bestand darin herauszufinden, wie weit ich selbständig gehen kann und inwieweit ein zweiter und dritter Durchgang kurz danach möglich ist.

Im ersten Durchgang konnte ich eine Strecke von 12 Metern selbständig gehen, abgesichert durch die Therapeutin. Nach einer kurzen Pause nahm ich den zweiten Durchgang in Angriff, beim dem ich noch 8 Meter problemlos absolvierte. Nach einer weiteren kurzen Pause ging es in die dritte Runde, bei der noch 5 Meter ohne Probleme möglich waren.

Die Einschränkungen kommen nicht von der Kraft in den Beinen, sondern von der Kraft der Rückenmuskulatur. Mit zunehmender Anstrengung breitet sich die Muskelanspannung über den ganzen Körper aus, womit das Gehen merklich erschwert wird. Als kleine Hilfestellung wurde mir eine medizinische Leibbandage (eine Art Korsett) angelegt, welche die Rumpfmuskulatur ein wenig stütze.

Damit ich den Beinen noch etwas Gutes tun konnte, setzte ich mich im Anschluss auf den Velotrainer und legte jeweils ca. 10 Kilometer in ca. 40 Minuten zurück.

Mit der Ergotherapie übten wir in drei Einheiten das Fahren mit der Kopfsteuerung. In der ersten Einheit ging es darum, die Eigenheiten und den Umgang kennen zu lernen. In der Zweiten bewegten wir uns im Gebäude, um die Situation mit Hindernissen und engen Platzverhältnissen kennen zu lernen. In der Dritten waren wir draussen und übten das Überqueren einer Strasse und die damit verbundenen Tücken der Schwelle/Rampe, welche eine unkontrollierte Kopfbewegung verursachen kann, mit entsprechender Reaktion der Steuerung. Auch das nach links und rechts schauen vor dem Befahren der Strasse muss geübt werden, da bei seitlicher Kopfneigung die Steuerung eine entsprechende Kurve fahren möchte.

Die Kopfsteuerung hat sich als praktisches Tool erwiesen – sofern die Halsmuskulatur genügend Kraft aufweist – womit man sich im offenen Gelände sehr schnell zurechtfindet. Sobald Hindernisse, Ablenkungen oder Stresssituationen dazukommen, zeigt es sich, dass man ohne Routine sehr schnell im Schilf steht – im wahrsten Sinne des Wortes.

Die vier Wochen im REHAB vergingen wie im Fluge, was definitiv dem perfekten Zimmernachbarn und einem tollen Pflege- und Therapeutenteam zu verdanken ist.

April 2021

Nach meiner Rückkehr wohnte ich mit Melissa alleine zuhause. Nebst dem regulären Einsatz der Assistenten mussten auch die Wochenenden und Abende zusätzlich abgedeckt werden. Mit Unterstützung der Familie, Freunde und Assistenten wurde dies umgesetzt. Die Planung war eine grosse Herausforderung da wir keine 24/7 Betreuung hatten und diese Situation eine neue Erfahrung darstellte. Würden Melissa und ich klarkommen? Würden die Zeiten, in denen wir alleine sind – teilweise mehrere Stunden – zum Problem werden? Waren die bedenken die teilweise geäussert wurden berechtigt?

Es zeigte sich sehr schnell, dass Melissa und ich ein gutes Team waren. Sehr schnell hatten wir unsere Abläufe und Rituale gemeinsam entwickelt.

So war beispielsweise unser Abendessen um 19:00 Uhr fertig. Melissa putzte ihre Zähne, währenddessen ich ihr ein Zahnputzlied freestyle vorsang. Danach bereiteten wir gemeinsam die Kleider für den nächsten Tag vor. Vereinzelt philosophierten wir über das zusammenpassen von Farben oder Kleidungsstücke. Es ist erstaunlich, wie Mädchen in dem Alter schon genau wissen, was sie anziehen wollen und wie Kleider zu kombinieren sind - mit einem Jungen wäre dies sicher eine Sache von 2 Minuten gewesen.

Im Anschluss zog sie ihr Pyjama an und hüpfte in unser Bett. Ich hatte mit ihr abgemacht, dass sie während der Abwesenheit von Daniela bei mir schlafen darf. Wir hatten unterschiedliche Rituale vor dem schlafen. Normalerweise starteten wir mit einem kurzem Gespräch über den vergangenen Tag – teilweise mit der Nennung dreier Highlights – gefolgt von einer der folgenden Optionen:

  • eine Gutenachtgeschichte von mir erzählt
  • eine Gutenachtgeschichte die wir gemeinsam abwechselnd Gestalt annehmen liessen
  • eine Frage über irgend etwas worüber ich ihr dann eine ausführliche Erklärung gab
  • ein Gutenachtlied von mir gesungen

In dieser Zeit entwickelte sich auch der Wunsch von ihr, dass sie mich in irgendeiner Form halten kann zum Einschlafen. Mit meinen eingeschränkten Möglichkeiten bot es sich an ihr meinen Fuss zu reichen. Da sich meine Füsse nur noch selten in Schuhe zwängen mussten und kaum noch schwere Arbeit gerieten, war es eine unproblematische Lösung – keine «Seuchen» Gefahr.

In den Frühlingsferien hatte ich Melissa zur Kindersportwoche angemeldet. Am Mittwoch kam sie ganz aufgeregt nach Hause und streckte mir einen Zettel entgegen. «Da musst du mich unbedingt anmelden!» Einer unserer Trainer vom BTV war Teil des Betreuungsteams und stellte den Kindern das Volleyballspiel vor. Der Zettel war ein Anmeldeformular für das Kids-Training in unserem Verein. Meine Freude war mindestens gleich gross, hatte ich doch insgeheim gehofft, dass sie zum Volleyball findet, wollte sie jedoch nicht dazu drängen.

Mitte April besuchte ich Daniela in Rheinfelden. Dabei gab es noch ein gemeinsames Therapiegespräch mit der dortigen Therapeutin. Deshalb blieb Melissa bei diesem Besuch zu Hause.

Ende April war für mich in zweifacher Weise erfreulich. Zum Einen durften wir das Volleyballtraining mit Schutzmassnahmen wieder in Angriff nehmen, zum Anderen hatte Melissa ihr erstes Volleyballtraining im BTV Aarau.

Mai 2021

Im Internet hatte ich einen Roboterarm entdeckt, der am E-Rolli montiert wird und über den Joystick gesteuert werden kann. Dieser wurde von einer kanadischen Firma entwickelt. Glücklicherweise hatten sie eine Vertretung in Deutschland. Ich kontaktierte sie, um anzufragen, ob eine Vorführung möglich ist. Wir konnten einen Termin für Anfang Mai vereinbaren. Ich kontaktierte die SAHB sowie den Verein ALS Schweiz um sie für die Vorführung bei mir zuhause einzuladen.

Die SAHB war interessiert und schickte zwei Personen für die Vorführung. Die ALS Schweiz kannte diesen schon und verzichtet. Wir warteten schon gespannt auf den Vertreter aus Deutschland, als 15 Minuten vor dem Termin das Telefon klingelte und der Vertreter auf Grund von Komplikationen am Zoll den Termin kurzfristig absagen musste.

Die Einschränkungen durch Covid führten dazu, dass die Mitgliederversammlung des BTV Aarau Volleyball zum zweiten Mal online stattfinden musste. Hierbei durfte ich mich über die Ehrung für meine 35 Jahre als Mitglied des Vereins.

In der zweiten Hälfte stand ein weiterer Drehtag an. Diesmal wurden Melissa und ich beim Einkauf begleitet. Melissa bediente auf meinem Handy die App für den öffentlichen Verkehr.


Ende Monat beendete Daniela ihren Klinikaufenthalt und beschloss noch ein paar Tage nach Pinarella (Italien) zu gehen, zusammen mit Melissa und ihrer Schwester.

Juni 2021

Der Juni eröffnete die Sommersaison mit erstmaligen 30°C+. Grund genug die Fussball-EM mit den Jungs, BBQ und kühlem Bier zu geniessen.

An einer gemeinsamen Sitzung mit unserem Paartherapeuten und Danielas Therapeutin im Januar zeigte sich, dass nach wie vor Uneinigkeit bestand zwischen der Therapeutin und mir. Aus meiner Sicht sollte auch der praktische Alltag mit berücksichtigt werden - die "Herausforderungen" sind im Alltag. Dieser Monat initiierte einen tiefer greifenden Einbezug externer professioneller Unterstützung für die "Herausforderungen" von Daniela sowie die vorsorgliche "Unterstützung" von Melissa. Jeweils 1h pro Woche - nicht ganz das, was ich als zielführend empfand. Ich möchte hier nicht mehr weiter auf diese Thematik eingehen, ausser das ich mich heute (2023) in meiner Sichtweise bestätigt fühle. Ich werde diesen Teil unserer Familiengeschichte und meine Erfahrungen mit der Unterstützung bei psychischen Belastungen vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt teilen. 

Juli 2021

Anfang Juli gings wie üblich in unsere Ferien in Pinarella. Corona hatte uns dies letztes Jahr verwehrt. Nun war lediglich ein negativer Test mitzunehmen und vorzuweisen.... doch an der italienischen Grenze interessierten diese niemanden. Welch Überraschung!

Eine Assistentin begleitete uns für eine Woche, um Daniela in Bezug auf Melissa und mich bestmöglich zu entlasten. Am ende der zweiten Woche ging es für Daniela und mich wieder zurück in die Schweiz. Melissa blieb mit Nonno und Nonna in Pinarella und genoss weitere zwei Wochen Sommerferien. Anfang August reiste Daniela nochmals für drei Tage nach Pinarella und kam danach mit Melissa nachhause. 

Während unseren Ferien reicht uns die Nachricht, dass die neue Assistentin, welche in wenigen Tagen ein Vollzeit-Pensum angetreten hätte, sich aus privaten Gründen von der Stelle zurück zog. Somit musste ich meine Assistenz neu Organisieren um die Allgemeinen Hausarbeiten teilweise abzudecken. Dies ging leider zu lasten der Büroarbeiten sowie der Arbeit an meiner Homepage.

August 2021

Anfang August war es wieder an der Zeit für den halbjährlich stattfindenden Lungenfunktionstest. Ich hatte ein CPAP Gerät versuchsweise im Einsatz. Da ich ohne Gerät keine Schlafapnoe hatte und meine Schlafqualität mit dem Gerät deutlich schlechter war, entschied ich mich das Gerät zurück zu geben. 

Mitte August nahmen wir, wie die letzten Jahre schon, an der ALS-Ferienwoche in Locarno teil. Das Wetter war uns wohl gesonnen und bescherte uns wieder wunderschöne Ausflüge von Locarno bis ins Verzasca Tal.

Ende August war von "Veränderungen" geprägt. Zum einen konnte ich erste Vorstellungsgespräche führen mit neuen potenziellen Assistentinnen, zum anderen hatte ich eine Besprechung mit meinem neuem Masseur. Zu guter Letzt erfreuten sich Melissa und ich an unseren Geburtstagen, wo Melissa ein Jahr älter wurde und ich ein Jahr Weiser. 

September 2021

Der diesjährige Geburtstag von Melissa wartete mit vielen nachfolgenden Überraschungen auf. Von einer Spitex-Mitarbeiterin erhält sie zwei Schildkröten auf Leihbasis. Sie hatte sich diese schon lange gewünscht und nun war es an der Zeit das sie sich ihrer ersten grossen Verantwortung stellen konnte. Wie lange würde es wohl gehen, bis sie das Interesse verlieren würde. 

Zu meinem Unmut wurde die Terrasse mit Hilfe der Lounge zu einem Gehege verwandelt. Nicht nur das man die Lounge nicht mehr richtig nutzen konnte, auch innerhalb des Geheges mischten sich Stroh, Salatblätter, Tomaten und andere "Dinge" - eine echte Herausforderung für meinen Ordnungssinn.

In den Ferien hatte Melissa das Pony reiten entdeckt, woran sie riesig Spass hatte. Deshalb überraschten wir sie mit einem Kindergeburtstag auf einem Ponyhof. Es gab eine Runde Pony reiten für die Kinder, wobei jeweils eine hälfte auf dem Pony war und die anderen laufen mussten. Auf dem Rückweg wurde ich zum Ersatzpony für die Kinder, welche nicht mehr laufen konnten. Im Anschluss gab es im Tipizelt Schlangenbrot und Cervelat am Feuer. 

Am nächsten Tag freute sich Melissa über den Überraschungsbesuch aus Locarno. Ihre Babysitterin aus den ALS-Ferien stand vor der Türe und begleitete uns zum nahegelegenen Tierpark mit anschliessender Stadtführung in Aarau. 

Am 17. September fand wieder ein ALS Paralleltreffen in Aarau statt. Diesmal waren wir bei der Betroffenengruppe nur zu Zweit. Da die andere Person nur mittels Sprachcomputer mit Augensteuerung kommunizieren konnte, gestaltete sich das Gespräch recht schleppend.

Nach dem Treffen wartete bereits der nächste Termin auf uns. Es ging zum Treffpunkt in Aarau für die gemeinsame Anfahrt ins Vereins-Trainingsweekend in Interlaken, welches ich jeweils organisiere. Der Elektrorollstuhl wird über eine Rampe im Car-Anhänger parkiert und ich geniesse einen kleinen Trainingsparcour. Vom Bordstein über die Stufen in den Car, dann durch den engen Gang, einmal drehen und irgendwie im Sitz installieren und Angurten.

Endlich kann auch die Umrüstung von alten auf den neuen E-Rolli finalisiert werden. Die letzten Kommunikationsmittel werden installiert womit ich nun auch die Gegensprechanlage bedienen kann.

Beim Zähneputzen gerät die Zahnbürste etwas zu weit nach hinten und kitzelt den Rachen, sodass ich reflexartig zubeisse. Die Zahnbürste ist stärker und eine Füllung in der Schaufel fällt raus. Drei Tage später habe ich einen Zahnarzttermin um die Schaufel wieder zu komplettieren. Dies ist auch meine erste Behandlung im E-Rolli.

Ich hatte eine neue Vorführung des Roboterarms von Jaco organisiert. Diesmal hat alles funktioniert und der Arm war für die Vorführung am Esstisch installiert. Auch die SAHB war mit drei Personen vertreten. Eine der drei Personenzeigte sich etwas kritisch und ungestüm. Als die Vorführung begann wusste sie nichts besseres als reinzugreifen und den Arm an der Bewegung zu hindern, um zu schauen ob er seine Bewegung stoppt. Dieser "gewaltsame" eingriff führte zu einem Programmabsturz und mechanische Blockade die nicht behoben werden konnten und die Vorführung musste erneut abgebrochen werden...

Oktober 2021

Für die Herbstferien durfte Melissa für eine Woche zu meiner Schwester nach Interlaken. Währenddessen gibt es noch einen letzten Drehtag für die Reportage. Tags darauf erreicht Daniela die Nachricht, dass ihr Grossvater in Italien gestorben ist. Wir hatten ihn noch in der Ferien besucht und wussten, das er gesundheitlich angeschlagen war. 

Es war klar, dass wir für die Abdankung nach Italien reisen würden. Deshalb brachte meine Schwester Melissa einen Tag früher als geplant zurück. Am Folgetag gings früh morgens um 4 Uhr für 2 Tage nach Italien.

Mitte Oktober konnten Daniela und ich seit langem wieder ein Gemeinsames Nachtessen ohne Melissa geniessen. Sie hatte mir zum Geburtstag eine Überraschung geschenkt welche nun eingelöst wurde: ein Krimidinner. 

Dies war einer sehr gelungene Überraschung und wir freuten uns beide auf einen spannenden Abend. Das Essen war gut doch wir hatten mehr Action erwartet. Es waren nur 2 Schauspieler die alle Personen darstellten, und die Witze/Komik waren manchmal etwas müde.

Ein paar Tage später hatten Daniela und ich ein Überraschungsabendessen für Melissa organisiert. Wir gingen in ein Indisches Restaurant wo sie neue Geschmäcker und Essenskultur kennenlernen konnte. Am meisten gefiel ihr das Essen mit der Hand - was denn sonst! Für einmal war ich froh, dass ich nicht selber Essen konnte. 

Ende Oktober war es soweit, dass die Schildkröten zurück ins Winterlager mussten. Ich war überrascht, dass sie doch so lange bei uns "durchgehalten" haben - jedoch war sehr froh, dass auf der Terrasse wieder Ordnung einkehrte. 

Am Nachmittag hatten wir eine Volleyball-Heimspielrunde, und ich nutzte diese um das Spiel unserer 1. Liga Herren zu schauen. Da vor unserem eigenen Spiel noch etwas Zeit blieb, schauten wir noch dem Einspielen und Einschlagen der Damen zu. Melissa ass noch einen Hotdog ohne Dog - also einen Brötchen mit einem Loch. Ich bereitete mich darauf vor einen Protein-Drink zu geniessen. Doch in diesem Moment traf mich ein Ball im Gesicht und prallte unglücklicherweise an die Hand von Daniela, in welcher sie den Protein-Drink hielt. Eine Hälfte davon war noch in der Flasche, die Andere verteilte sich auf meinen Hosen, dem Rollstuhl und dem Boden. Das Positive daran: Ich rieche nach frischen Erdbeeren. 

Für den nächsten Tag stand Melissa`s erstes Volleyball-Turnier auf dem Programm. Punkte gab es nicht viele zu feiern, doch dies hielt die Mädchen nicht davon ab, dennoch jede menge Spass zu haben. Das Turnier fand in Rheinfelden statt. So nutzen wir diesen Umstand gleich und assen in der malerischen Altstadt zu Mittag. Obwohl es kalt war entlockte und das schöne Wetter einen Spaziergang am Rhein. 

Die Corona Situation hatte auch Einfluss auf meine Therapiemöglichkeiten. So konnte ich erst jetzt wieder das Standing in der Ergotherapie nutzen. Für meinen Nacken war es zwischenzeitlich sehr anstrengend geworden und ich überlegte mir die Massage mit dem neuen Masseur zu Optimieren.

In diesem Monat hatte ich auch zwei kleine Einsätze an ALS-Studien. Anfang Oktober gab es bei uns zuhause einen kleinen Test für den Edinburgh Cognitive and Behavioural ALS Screen (ECAS), und nun ein Zoom-Meeting Workshop vom Uni Spital Zürich betreffend ALS und Komplementärmedizin. 

November - Dezember 2021

Nun war es soweit, mein Körper beugte sich erstmals dem irdischen Alter: ich brauchte eine Lesebrille! und wenn dies nicht schon schlimm genug wäre, so bedeutete es einen weiteren kleinen Schritt in die Abhängigkeit. Das Handy war genug weit weg, dass ich das Display noch lesen konnte. Doch für Briefe und Zeitungen führte kein Weg mehr an der Lesebrille vorbei. Auch im Restaurant brauchte ich sie um die Menükarte zu lesen - ein kleiner Tod den ich sterben musste. 

Nach langer Suche fand ich eine neue passende Assistenz für die Vollzeitanstellung. Sie begann am 1. Dezember womit der Haushalt sowie andere kleine Dinge wieder ihre Routine erhielten. Es gab wohl eine kleine "Unstimmigkeit" : sie war Veganerin und ich bin Carnivor, was jedoch unsere gute Zusammenarbeit nicht zu trüben vermochte. 

Über Weinachten waren wir zwei Tage bei meiner Schwester und hatten auch dort unser Familienessen mit meinen Eltern.

Danach blieb Daniela`s Schwester mit ihren Kindern zwei Tage bei uns, worüber sich Melissa unglaublich freute. Daniela und Melissa begleiteten ihre Schwester zu den Schwiegereltern, gingen zusammen Eislaufen und kehrten am Abend wieder nach Aarau zurück. 

Am Silvester durfte Melissa mit Daniela und 2 Spielerinnen aus dem Volleyball-Team das Indoor Klettern kennenlernen. Der Silvesterabend gestaltete sich ähnlich dem Letzten. Wir wollten einen ruhigen und entspannten Abend zu Dritt geniessen. 

Januar 2022